Veröffentlicht am März 15, 2024

Die meisten Männer glauben, mehr oder härter zu trainieren sei die Lösung gegen Stress. Doch das Gegenteil ist oft der Fall.

  • Der Schlüssel liegt nicht in der reinen Verausgabung, sondern in der bewussten Wahl der Methode und Intensität.
  • Sport wird erst dann zum wirksamen Ventil, wenn er den mentalen Zustand respektiert, statt neuen Leistungsdruck zu erzeugen.

Empfehlung: Analysieren Sie Ihren Stresstyp, um die für Sie passende Aktivität zu finden – ob im Wald, im Team oder allein in der Stille.

Der Druck im Job steigt, die To-Do-Listen werden länger und das Gefühl, ständig „an“ sein zu müssen, zehrt an den Kräften. Viele Männer greifen in dieser Situation instinktiv zu einer scheinbar einfachen Lösung: Sport. Die Idee, sich auszupowern, den Kopf freizubekommen und den Stress einfach wegzuschwitzen, ist tief in unserer Kultur verankert. Man rät Ihnen, laufen zu gehen, ins Fitnessstudio zu eilen oder sich auf dem Fahrrad abzustrampeln. Und ja, körperliche Aktivität ist ein fundamental wichtiges Werkzeug für die psychische Gesundheit. Doch dieser Ratschlag ist oft unvollständig und kann sogar nach hinten losgehen.

Die weitverbreitete Annahme ist, dass jede Form von Anstrengung automatisch zu Entspannung führt. Aber was, wenn der Sport, der eigentlich ein Ventil sein sollte, sich unbemerkt in eine weitere Leistungsanforderung verwandelt? Was, wenn das Training zu einer neuen Quelle von Druck und Selbstoptimierung wird, anstatt die ersehnte mentale Freiheit zu bringen? Die wahre Kunst liegt nicht darin, einfach nur Sport zu treiben, sondern darin, ihn als intelligenten Dialog mit dem eigenen Körper und Geist zu nutzen. Es geht darum, die richtige Dosis, die passende Disziplin und das förderliche Umfeld zu finden, um Stress nicht nur abzubauen, sondern ihn in mentale Stärke umzuwandeln.

Dieser Artikel geht über die üblichen Empfehlungen hinaus. Wir werden beleuchten, wie Sie Sport so gestalten, dass er Ihre psychische Balance wirklich stärkt, anstatt sie zusätzlich zu belasten. Wir untersuchen, warum ein Waldlauf wirksamer sein kann als das Laufband, wie Sie Meditation in Ihr Training integrieren und wie Sie die im Sport erlernte Resilienz direkt in Ihren beruflichen Alltag übertragen. Es ist an der Zeit, Sport nicht als weitere Pflicht, sondern als Ihre persönlichste Ressource für mentale Klarheit zu entdecken.

Warum macht Laufen glücklich: Die Wahrheit über Endorphine und Serotonin

Das Gefühl der Euphorie nach einer intensiven Laufeinheit, oft als „Runner’s High“ bezeichnet, ist kein Mythos. Es ist das Ergebnis eines komplexen neurochemischen Cocktails, den Ihr Körper selbst produziert. Wenn Sie sich körperlich anstrengen, schüttet Ihr Gehirn vermehrt Endorphine aus. Diese körpereigenen Opioide haben eine schmerzlindernde und stimmungsaufhellende Wirkung. Sie sind der Grund, warum Sie während des Laufens plötzlich eine Welle von Wohlbefinden und Leichtigkeit spüren können. Doch die Wirkung geht noch tiefer und ist nachhaltiger.

Parallel dazu fördert regelmäßige Bewegung die Produktion von Neurotransmittern wie Serotonin und Dopamin. Serotonin, oft als „Glückshormon“ bezeichnet, ist entscheidend für die Regulierung Ihrer Stimmung, Ihres Schlafs und Ihres Appetits. Ein stabiler Serotoninspiegel trägt zu einem Gefühl der inneren Ruhe und Zufriedenheit bei. Dopamin hingegen ist Teil des Belohnungssystems und sorgt für Motivation und Antrieb.

Der vielleicht wichtigste Effekt für gestresste Männer ist jedoch der Einfluss auf das Stresshormon Cortisol. Während kurzfristiger Stress den Cortisolspiegel in die Höhe treibt, senkt regelmäßiger Sport den Cortisol-Basalspiegel im Ruhezustand. Das bedeutet, Ihr Körper befindet sich in einem grundsätzlich entspannteren Zustand und reagiert weniger heftig auf neue Stressoren. Sie bauen also nicht nur akuten Stress ab, sondern trainieren Ihre hormonelle Stressantwort, um langfristig gelassener zu bleiben. Sport ist somit keine kurzfristige Ablenkung, sondern eine tiefgreifende biochemische Umprogrammierung für mehr Resilienz.

Wie integrieren Sie Meditation in Ihr Cool-Down?

Nach dem Training ist der Körper erschöpft, aber der Geist oft noch auf Hochtouren. Die Versuchung ist groß, direkt zur Dusche zu eilen und zum nächsten Punkt auf der Tagesordnung überzugehen. Doch genau hier liegt eine der größten ungenutzten Chancen für tiefgreifenden Stressabbau: die Verbindung von körperlicher Ermüdung mit mentaler Entspannung. Eine kurze Meditation während des Cool-Downs wirkt wie ein Katalysator, der die positiven Effekte des Sports verstärkt und den Übergang vom Leistungsmodus in den Regenerationsmodus aktiv gestaltet.

Sie müssen dafür kein erfahrener Yogi sein. Es geht darum, für wenige Minuten die Aufmerksamkeit bewusst vom Äußeren ins Innere zu lenken. Suchen Sie sich einen ruhigen Ort, setzen oder legen Sie sich hin und schließen Sie die Augen. Anstatt die Gedanken an die Arbeit oder private Verpflichtungen sofort wieder zuzulassen, richten Sie Ihren Fokus auf die körperlichen Empfindungen: das Pochen Ihres Herzens, das sich langsam beruhigt, die Wärme in den Muskeln, den Atem, der tiefer und ruhiger wird. Diese Praxis der Bewegungs-Achtsamkeit schafft eine Brücke zwischen Körper und Geist.

Person in meditativer Sitzhaltung nach dem Sport mit geschlossenen Augen in ruhiger Umgebung

In Deutschland haben sich Methoden wie das von Johannes Heinrich Schultz entwickelte Autogene Training als äußerst wirksam erwiesen. Es basiert auf Autosuggestion, um einen Zustand tiefer Entspannung zu erreichen. Viele deutsche Krankenkassen, darunter die AOK und die Techniker Krankenkasse, bezuschussen sogar Kurse, da die positiven Effekte auf Schlaf, Nervosität und Konzentration wissenschaftlich belegt sind. Eine kurze Cool-Down-Meditation kann ein erster Schritt sein, um solche Techniken in Ihren Alltag zu integrieren und die Regeneration auf ein neues Level zu heben.

Ihr Aktionsplan für eine regenerative Cool-Down-Meditation:

  1. Bequeme Position finden: Setzen oder legen Sie sich direkt nach dem Training für 5 Minuten bequem hin und schließen Sie die Augen.
  2. Körperscan durchführen: Scannen Sie Ihren Körper gedanklich von den Füßen bis zum Kopf. Nehmen Sie die Nachwirkungen des Trainings – wie Kribbeln oder Wärme – ohne Bewertung wahr.
  3. Herzschlag fokussieren: Konzentrieren Sie sich auf Ihren Herzschlag. Spüren Sie, wie er mit jedem Atemzug ruhiger und gleichmäßiger wird.
  4. Spannungen bewusst lösen: Atmen Sie tief ein und lassen Sie beim Ausatmen bewusst Anspannungen in Nacken, Schultern und Kiefer los.
  5. Sanft zurückkehren: Beenden Sie die Meditation mit drei tiefen Atemzügen und öffnen Sie die Augen. Nehmen Sie das Gefühl der Ruhe mit in den restlichen Tag.

Teamsport oder Alleingang: Was lädt Ihre sozialen Batterien auf?

Die Frage, ob Teamsport oder eine Solo-Aktivität besser gegen Stress hilft, hat keine pauschale Antwort. Die richtige Wahl hängt maßgeblich von Ihrer Persönlichkeit und der Natur Ihres Stresses ab. Für einen Mann, dessen Arbeitsalltag von Isolation im Homeoffice geprägt ist, kann der wöchentliche Fußballabend mit Freunden eine lebenswichtige soziale Ressource sein. Die Gruppendynamik lenkt von den eigenen Sorgen ab, schafft ein Gefühl der Zugehörigkeit und fördert die Ausschüttung von Bindungshormonen wie Oxytocin.

Im Gegensatz dazu kann für einen Manager, der den ganzen Tag in Meetings und Verhandlungen verbringt, die Vorstellung von noch mehr sozialer Interaktion zusätzlichen Stress bedeuten. Für ihn ist der einsame Lauf im Wald oder das rhythmische Schwimmen im See die reinste Erholung. Diese Momente der Stille ermöglichen Selbstreflexion, mentale Ruhe und das Gefühl der Autonomie – die Freiheit, das eigene Tempo zu bestimmen, ohne sich auf andere einstellen zu müssen. Hier geht es darum, die sozialen Batterien nicht aufzuladen, sondern sie bewusst herunterzufahren.

Die deutsche Vereinskultur bietet hierfür ein besonders interessantes Modell. Turnvereine oder Ruderclubs sind oft mehr als nur Orte zum Sporttreiben; sie schaffen feste soziale Strukturen. Wie die Windsurf-Legende Vincent Langer und die Boulder-Nationalmannschaftsathletin Afra Hönig betonen, ist „die Truppe“ oft ein entscheidender Faktor für mentale Stabilität. Der positive Stress im Wettkampf oder das gemeinsame Ziel können ein starker „Adrenalin-Kick“ sein, der den Kopf von Alltagsstress befreit. Die folgende Tabelle hilft Ihnen bei der Einschätzung, welcher Sporttyp zu Ihrem Stressprofil passt.

Stress-Typ-Analyse: Teamsport vs. Einzelsport
Stress-Typ Empfohlene Sportart Vorteile
Überdenker & sozial isoliert Teamsport (Fußball, Handball, Volleyball) Ablenkung durch Gruppendynamik, soziale Verbindung, gemeinsame Ziele
Reizüberflutet & ständige Interaktion Einzelsport (Laufen, Schwimmen, Radfahren) Mentale Ruhe, Selbstreflexion, eigenes Tempo bestimmen
Hybrid-Typ Kombination: Solo-Training + wöchentlicher Vereinssport Balance zwischen Autonomie und Gemeinschaft

Fallbeispiel: Die deutsche Vereinskultur als Stressbewältigungsinstrument

Die in Deutschland tief verwurzelte Vereinskultur ist ein starkes Instrument gegen sozialen Stress. Sie bietet mehr als nur körperliche Betätigung. Regelmäßige Treffen, gemeinsame Aktivitäten und Stammtische schaffen ein soziales Netz, das über den Sport hinausgeht. Afra Hönig, Mitglied der deutschen Boulder-Nationalmannschaft, unterstreicht, dass die Gemeinschaft, „die Truppe“, für ihre mentale Stabilität essentiell ist. Ähnlich beschreibt der dreifache Windsurf-Weltmeister Vincent Langer den positiven Stress im Teamsport als einen „Adrenalin-Kick“, der ihm hilft, eine gesunde Balance zwischen Anspannung und Entspannung zu finden. Dies zeigt, wie soziale Strukturen im Sport gezielt als Puffer gegen Alltagsstress wirken können.

Der Fehler, aus Sport einen neuen Leistungszwang zu machen

Hier liegt der Kern des Problems für viele gestresste Männer: Der Sport, der als Ausgleich gedacht war, wird unmerklich zu einem weiteren Punkt auf der Leistungsagenda. Die Smartwatch zählt jeden Schritt, die App vergleicht die Laufzeiten mit denen von letzter Woche, und das Gefühl, „nicht genug“ getan zu haben, schleicht sich ein. Dieser Mechanismus, bekannt als Leistungsfalle, pervertiert die ursprüngliche Absicht des Sports. Statt Stress abzubauen, erzeugt er neuen. Eine Studie zeigt, dass rund 80% der Deutschen unter Stress leiden, oft verstärkt durch den gesellschaftlichen Druck zur Selbstoptimierung.

Wenn das Training von Gedanken wie „Ich muss heute noch 10 km laufen“ oder „Ich muss meine Bestzeit verbessern“ angetrieben wird, agieren Sie nicht mehr aus Freude an der Bewegung, sondern aus einem Pflichtgefühl heraus. Ihr Nervensystem unterscheidet nicht, ob der Druck vom Chef oder von der eigenen Fitness-App kommt. Stress bleibt Stress. Der Schlüssel zur Umkehr liegt darin, den Fokus von der reinen Leistung auf das Erleben zu verlagern. Fragen Sie sich vor dem Training nicht: „Was will ich erreichen?“, sondern: „Was brauche ich heute?“ Manchmal ist das ein intensiver Lauf, um Frust loszuwerden. An anderen Tagen ist es vielleicht nur ein lockerer Spaziergang oder eine spielerische Runde Frisbee im Park, um den Kopf freizubekommen.

Dieser Ansatz erfordert ein Umdenken weg von quantitativen Zielen (Kilometer, Kalorien) hin zu qualitativen Zielen (mentale Klarheit, Freude, Körpergefühl). Sportarten wie Bouldern, wo der Fokus auf der kreativen Lösung eines Problems liegt, oder Tanzen, das Bewegung mit Musik und sozialem Miteinander verbindet, sind hervorragende Alternativen zum reinen Leistungsdenken. Der Sportpsychologe Markus Flemming, der unter anderem mit den Eisbären Berlin arbeitet, bringt es auf den Punkt:

Es gibt kein Pauschalprogramm, das jedem helfen würde. Bei allen Techniken geht es aber darum, in die Selbstregulation einzutauchen und in den Moment des Fokus zurückzukehren.

– Markus Flemming, Sportpsychologe der Eisbären Berlin und Handball-Nationalmannschaft

Hören Sie auf, Sport als eine weitere Aufgabe zu betrachten. Sehen Sie ihn als eine Einladung zum Spiel, zur Erkundung und zum bewussten Dialog mit Ihrem Körper. Nur dann kann er sein volles Potenzial als Stressventil entfalten.

Warum senkt ein Waldlauf den Blutdruck stärker als das Laufband?

Auf den ersten Blick mag die körperliche Anstrengung dieselbe sein, doch die Wirkung eines Laufs in der Natur im Vergleich zum Training im Fitnessstudio ist fundamental unterschiedlich. Die Forschung im Bereich der Umweltpsychologie zeigt eindeutig: Bewegung im Grünen, auch bekannt als „Green Exercise“, hat signifikant stärkere positive Effekte auf die psychische Gesundheit. Der Wald wirkt wie ein multisensorischer Stressfilter. Die grüne Farbe hat eine nachweislich beruhigende Wirkung, das Zwitschern der Vögel senkt den Cortisolspiegel und die unebenen Wege fordern eine höhere Konzentration und Achtsamkeit, was den Geist von kreisenden Gedanken ablenkt.

Ein Schlüsselfaktor sind die sogenannten Phytonzide, bioaktive Substanzen, die von Bäumen und Pflanzen an die Luft abgegeben werden. Das Einatmen dieser Stoffe stärkt das Immunsystem und senkt nachweislich den Blutdruck und die Herzfrequenz stärker als bei gleicher Anstrengung in einer urbanen oder geschlossenen Umgebung. Dieses Phänomen ist die wissenschaftliche Grundlage für das in Japan populäre „Shinrin-yoku“ oder „Waldbaden“.

Weitwinkelaufnahme eines Waldwegs mit Läufer in der Ferne, umgeben von hohen Bäumen und natürlichem Licht

Deutschland hat dieses Potenzial erkannt und verfügt über ein Netz aus zertifizierten Heil- und Kurwäldern, die speziell für therapeutische Zwecke gestaltet sind. Diese bieten durch ihre Luftqualität, Ruhe und naturnahe Gestaltung optimale Bedingungen. Doch Sie müssen nicht in einen ausgewiesenen Kurwald fahren. Der nahegelegene Stadtpark, der Flussuferweg oder der nächste Forst tun es auch. Die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) empfiehlt mindestens 150 Minuten moderaten Ausdauersport pro Woche. Wenn Sie einen Teil dieser Zeit im Grünen verbringen, maximieren Sie nicht nur den körperlichen, sondern vor allem den mentalen Ertrag Ihrer Anstrengung.

Warum müssen Sie leiden, um mental zu wachsen?

Das Wort „Stress“ hat einen durchweg negativen Beigeschmack. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. In der Psychologie wird zwischen zwei Arten von Stress unterschieden: dem schädlichen Distress, der uns überfordert und krank macht, und dem positiven Eustress, der uns herausfordert, motiviert und wachsen lässt. Sport ist das perfekte Trainingsfeld, um den Umgang mit Eustress zu erlernen und diese Fähigkeit auf andere Lebensbereiche zu übertragen. Wenn Sie sich einer sportlichen Herausforderung stellen – sei es eine neue Bestzeit, eine schwere Hantel oder eine steile Bergwanderung –, verlassen Sie bewusst Ihre Komfortzone. Sie erzeugen einen kontrollierten Stresszustand.

Dieses absichtliche „Leiden“ hat einen tiefen psychologischen Zweck. Es lehrt Sie, Unbehagen auszuhalten, ohne in Panik zu verfallen. Es trainiert Ihre Willenskraft und beweist Ihnen, dass Sie fähiger sind, als Sie dachten. Jedes Mal, wenn Sie einen inneren Widerstand überwinden, stärken Sie Ihre Selbstwirksamkeit – den Glauben an Ihre eigene Fähigkeit, Herausforderungen zu meistern. Dieser Glaube ist das Fundament mentaler Resilienz. Der Sportpsychologe Markus Flemming beschreibt es treffend: „Stress kann auch kribbeln und herausfordern. Bei vielen Sportlern lässt er den Motor erst warmlaufen.“

Der Trick besteht darin, die Dosis des Eustress präzise zu steuern. Die Herausforderung muss groß genug sein, um einen Wachstumsreiz zu setzen, aber nicht so groß, dass sie in Distress umschlägt. Eine gute Faustregel ist die graduelle Steigerung: Erhöhen Sie die Intensität oder Dauer Ihres Trainings um nicht mehr als 10 % pro Woche. Dokumentieren Sie Ihre Fortschritte, um Ihr wachsendes Leistungsvermögen sichtbar zu machen, und feiern Sie bewusst kleine Erfolge. So verwandeln Sie sportliche Anstrengung von einer reinen Qual in einen Katalysator für persönliches Wachstum. Sie lernen, Stress nicht als Feind zu sehen, sondern als Signal, dass Sie an der Schwelle zu einer neuen Stärke stehen.

Das Risiko, sich leer zu trainieren: Wann ist Sport zu viel Stress?

So wirksam Sport gegen Stress sein kann, so gefährlich ist die Überdosierung. Im Eifer, Fortschritte zu erzielen oder Stress abzubauen, ignorieren viele die feinen Signale ihres Körpers und rutschen ins Übertraining. Dieser Zustand ist mehr als nur Muskelkater; es ist eine tiefgreifende Erschöpfung des zentralen Nervensystems und des hormonellen Gleichgewichts. Der Körper wechselt von einem anabolen (aufbauenden) in einen katabolen (abbauenden) Zustand. Paradoxerweise führt mehr Training dann zu weniger Leistung, erhöhter Infektanfälligkeit und einer Verschlechterung der Stimmung. Der vermeintliche Stresskiller wird selbst zum größten Stressor.

Für gestresste Männer ist dieses Risiko besonders hoch. Der Antrieb, im Sport genauso viel zu leisten wie im Job, kann blind für die Notwendigkeit von Erholung machen. Regeneration ist jedoch kein passiver Zustand, sondern der Zeitraum, in dem die eigentliche Anpassung und Stärkung stattfindet (Superkompensation). Anzeichen für ein Übertraining sind oft subtil und werden fälschlicherweise als normale Stresssymptome interpretiert. Achten Sie auf die in der folgenden Tabelle dargestellten Frühwarnzeichen.

Frühwarnzeichen des Übertrainingssyndroms
Körperliche Signale Psychische Signale Leistungsindikatoren
Erhöhter Ruhepuls Erhöhte Reizbarkeit Leistungsabfall trotz Training
Schlafstörungen Heißhunger auf Süßes Verlängerte Regenerationszeiten
Häufige Infekte Motivationsverlust Reduzierte HRV (Herzfrequenzvariabilität)
Muskelschmerzen Konzentrationsprobleme Koordinationsschwierigkeiten

Wenn Sie mehrere dieser Symptome bei sich feststellen, ist es Zeit für eine radikale Maßnahme: eine Deload-Woche. Profisportler integrieren solche Entlastungswochen regelmäßig in ihren Trainingsplan, indem sie die Intensität auf 50-60 % reduzieren. Dies ist keine verlorene Zeit, sondern eine strategische Investition in langfristige Leistungsfähigkeit und Gesundheit. Deutsche Sportmediziner empfehlen eine solche aktive Erholungsphase alle 4-6 Wochen, insbesondere bei hoher Belastung. Lernen Sie, auf Ihren Körper zu hören. Pausen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Ausdruck von Trainingsintelligenz.

Das Wichtigste in Kürze

  • Individualität vor Intensität: Der wirksamste Sport gegen Stress ist nicht der härteste, sondern der, der zu Ihrem Stresstyp und Ihren Bedürfnissen passt (sozial, allein, in der Natur).
  • Vermeiden Sie die Leistungsfalle: Sobald Sport zu einer weiteren Pflicht wird, verliert er seine stressreduzierende Wirkung. Fokus auf Freude und Erlebnis statt auf Zahlen und Rekorde.
  • Transferieren Sie Ihre mentale Stärke: Die im Sport erlernte Resilienz, Disziplin und Schmerztoleranz sind direkt anwendbare Fähigkeiten für berufliche und private Herausforderungen.

Wie hilft Ihnen die letzte Meile im Marathon bei harten Geschäftsverhandlungen?

Die mentalen Fähigkeiten, die Sie sich bei anspruchsvollem Ausdauersport aneignen, sind keine isolierten Tugenden. Sie sind direkt auf die Herausforderungen des Berufslebens übertragbar. Dieses Konzept, bekannt als Embodied Cognition, besagt, dass körperliche Erfahrungen unser Denken und Handeln in anderen Kontexten prägen. Die letzte, zermürbende Meile eines Marathons ist dafür das beste Beispiel. In diesem Moment lernen Sie drei entscheidende Mikrofähigkeiten, die in jeder harten Geschäftsverhandlung von unschätzbarem Wert sind.

Die erste Fähigkeit ist das Pacing, also das intelligente Energiemanagement. Im Marathon lernen Sie, Ihre Kräfte einzuteilen, nicht zu früh zu viel zu geben und Reserven für den entscheidenden Moment aufzusparen. In einer langen Verhandlung ist es genauso: Wer sein Pulver zu früh verschießt, verliert am Ende. Die zweite Fähigkeit ist die Schmerztoleranz. Sie lernen, körperliches und mentales Unbehagen auszuhalten, ohne emotional zu reagieren oder aufzugeben. Dies ist das Fundament für ein starkes „Pokerface“ und die Fähigkeit, auch unter Druck ruhig und sachlich zu bleiben.

Makroaufnahme von Läuferhänden in Nahaufnahme, zeigt Entschlossenheit und Fokus

Die dritte und vielleicht wichtigste Fähigkeit ist der positive Selbst-Dialog. Wenn jeder Muskel schreit und der Kopf aufgeben will, ist es der innere Monolog – „Ich kann das“, „Noch ein Schritt“ –, der Sie vorantreibt. Diese trainierte Fähigkeit, sich selbst zu motivieren und negative Gedanken zu kontrollieren, ist in kritischen Geschäftsmomenten, bei Rückschlägen oder zähen Verhandlungen eine mentale Superkraft. Der Windsurf-Weltmeister Vincent Langer bestätigt, wie er diese im Sport erlernten mentalen Ressourcen gezielt in Geschäftssituationen einsetzt, um einen kühlen Kopf zu bewahren. Sport wird so zu einem permanenten Trainingslager für die mentale Robustheit, die im modernen Berufsleben den Unterschied ausmacht.

Beginnen Sie noch heute damit, Ihren Sport nicht nur als körperliches Training, sondern als bewusstes Mentaltraining zu betrachten. Analysieren Sie Ihre Bedürfnisse, experimentieren Sie mit verschiedenen Ansätzen und finden Sie die Balance, die Ihnen nicht nur einen fitten Körper, sondern vor allem einen klaren und widerstandsfähigen Geist schenkt.

Geschrieben von Lukas Menzel, Diplom-Sportwissenschaftler und Performance Coach aus Köln, fokussiert auf funktionelles Training und Biohacking für vielbeschäftigte Berufstätige. Er hilft Männern, trotz 60-Stunden-Woche körperlich und mental leistungsfähig zu bleiben.