
Die wahre Ursache Ihres Rundrückens liegt nicht nur in schwachen Rückenmuskeln, sondern in einer blockierten Hüfte durch stundenlanges Sitzen.
- Verkürzte Hüftbeuger kippen Ihr Becken und zwingen den oberen Rücken in eine runde Position.
- Eine inaktive Gesäßmuskulatur verstärkt diese Fehlhaltung und destabilisiert die gesamte Wirbelsäule.
Empfehlung: Beginnen Sie mit gezielter Hüftmobilisation, bevor Sie den oberen Rücken kräftigen, um die Haltungskette fundamental zu korrigieren.
Das Gefühl ist nur allzu bekannt: Nach einem langen Tag am Schreibtisch fühlt sich der Rücken steif an, die Schultern ziehen sich nach vorne und der Nacken schmerzt. Sie richten sich kurz auf, doch wenige Minuten später sind Sie wieder in die alte, gebeugte Haltung zurückgefallen. Viele Ratgeber empfehlen dann simple Lösungen wie „mehr bewegen“ oder „die Brust dehnen“. Diese Ratschläge sind zwar nicht falsch, kratzen aber nur an der Oberfläche eines Problems, das viel tiefer sitzt – im wahrsten Sinne des Wortes. Die stundenlange Sitzposition im Büro hat Konsequenzen für den gesamten Körper, die weit über den oberen Rücken hinausgehen.
Die meisten Ansätze zur Korrektur eines Rundrückens, auch Hyperkyphose genannt, konzentrieren sich ausschließlich auf die Symptome: die nach vorne gerollten Schultern und den gekrümmten oberen Rücken. Doch was wäre, wenn die eigentliche Ursache für dieses Ungleichgewicht viel weiter unten in der Haltungskette zu finden ist? Wenn der Schlüssel zur Aufrichtung nicht im oberen Rücken, sondern in Ihrer Hüfte liegt? Dieses hartnäckige Problem ist oft das Resultat einer fundamentalen Dysbalance zwischen verkürzten, verspannten Muskeln an der Körpervorderseite und einer abgeschwächten, inaktiven Muskulatur an der Rückseite.
Dieser Artikel durchbricht den Kreislauf oberflächlicher Korrekturen. Wir werden einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen und ein posturales Reset durchführen, das an der Wurzel des Problems ansetzt. Wir analysieren, wie die „Sitzfalle“ Ihre Hüfte blockiert, welche Übungen wirklich helfen, die Schultern zurückzuholen, und warum die richtige Geisteshaltung genauso wichtig ist wie das Training selbst. Machen Sie sich bereit, Ihre Haltung von Grund auf neu zu denken und dauerhafte Lösungen für Ihren Büro-Rücken zu finden.
Um dieses komplexe Thema strukturiert anzugehen, führt Sie der folgende Leitfaden durch die entscheidenden Aspekte der Haltungskorrektur, von den biomechanischen Ursachen bis zu praktischen Übungen für Alltag und Training.
Inhaltsverzeichnis: Ihr Weg zu einer aufrechten Haltung
- Warum verkürzt langes Sitzen Ihre Hüftbeuger und schwächt den Hintern?
- Facepulls und Rudern: Welche Übungen ziehen Ihre Schultern wieder nach hinten?
- Dehnen oder Kräftigen: Was hilft nachhaltiger gegen Verspannungen?
- Der Fehler, beim Training die gleiche Haltung einzunehmen wie am Schreibtisch
- Wie integrieren Sie Haltungs-Checks in Ihren Arbeitstag?
- Warum löst Hüftmobilität Ihre Rückenschmerzen im Büro?
- Warum fühlen Sie sich im Anzug kompetenter, auch wenn Sie im Home-Office sitzen?
- Warum ist Beweglichkeitstraining ab 40 wichtiger als das Bankdrücken?
Warum verkürzt langes Sitzen Ihre Hüftbeuger und schwächt den Hintern?
Der Ausgangspunkt für den typischen „Büro-Buckel“ liegt selten dort, wo er am sichtbarsten ist. Die wahre Ursache beginnt viel tiefer: in der Hüfte. Das Problem ist die schiere Zeit, die wir in einer einzigen Position verbringen. Eine aktuelle Auswertung bestätigt, dass Deutsche im Schnitt 613 Minuten (über 10 Stunden) täglich im Sitzen verbringen. In dieser gebeugten Haltung ist der Hüftbeugemuskel (Psoas) permanent verkürzt, während sein direkter Gegenspieler, die Gesäßmuskulatur, inaktiv und gedehnt ist. Dieses Phänomen wird oft als „gluteale Amnesie“ bezeichnet: Der Po vergisst schlichtweg, wie man richtig arbeitet.
Dieses muskuläre Ungleichgewicht hat dramatische Folgen für die gesamte Haltungskette. Ein verkürzter Hüftbeuger zieht das Becken nach vorne in eine Kippstellung (anteriore Beckenkippung). Um den Oberkörper aufrecht zu halten und nicht nach vorne zu fallen, muss die Lendenwirbelsäule diese Fehlstellung mit einem Hohlkreuz kompensieren. Als Gegenreaktion darauf rundet sich die Brustwirbelsäule übermäßig stark ein – der Rundrücken entsteht. Per Definition spricht man ab einer Krümmung von mehr als 40 Grad von einem Rundrücken, auch Hyperkyphose genannt.
Sie versuchen also, ein Problem im oberen Rücken zu beheben, das seine Wurzel in einer festgefahrenen Hüfte hat. Solange dieses fundamentale Dysbalance nicht adressiert wird, werden alle Übungen für den oberen Rücken nur temporäre Linderung verschaffen. Die Korrektur muss daher immer bei der Wiederherstellung der Beckenneutralität durch Mobilisation der Hüfte und Aktivierung der Gesäßmuskulatur beginnen. Nur wenn das Fundament stabil ist, kann das „Gebäude“ darüber – Ihre Wirbelsäule – wieder ins Lot gebracht werden.
Facepulls und Rudern: Welche Übungen ziehen Ihre Schultern wieder nach hinten?
Nachdem das Fundament – die Hüfte – adressiert wurde, können wir uns nun den sichtbaren Symptomen des Rundrückens widmen: den nach vorne gezogenen Schultern. Hier kommen die sogenannten „Zugübungen“ ins Spiel, allen voran Facepulls und verschiedene Rudervarianten. Ihre Hauptaufgabe ist es, die vernachlässigten Gegenspieler der Brust- und vorderen Schultermuskulatur zu kräftigen. Dabei handelt es sich primär um die Rhomboiden (Muskeln zwischen den Schulterblättern) und den mittleren sowie unteren Teil des Trapezmuskels.
Diese Muskeln sind dafür verantwortlich, die Schulterblätter aktiv nach hinten und unten zu ziehen, was die Brustwirbelsäule aufrichtet und den Schultern ihre natürliche Position zurückgibt. Facepulls sind hierbei besonders effektiv, da sie zusätzlich die Außenrotatoren der Schulter trainieren, die der typischen Innenrotation durch Büroarbeit entgegenwirken. Die richtige Ausführung ist entscheidend, um die Zielmuskulatur zu treffen.

Wie die Detailaufnahme zeigt, geht es nicht darum, mit Schwung ein hohes Gewicht zu bewegen. Der Fokus liegt auf der bewussten Kontraktion: Am Ende der Bewegung sollten Sie spüren, wie Ihre Schulterblätter zueinander gezogen werden. Stellen Sie sich vor, Sie wollten eine Walnuss zwischen ihnen knacken. Beim Rudern gilt ein ähnliches Prinzip. Ob am Kabelzug, mit Kurzhanteln oder am Gerät: Die Bewegung sollte aus dem Rücken initiiert werden, nicht aus den Armen. Ziehen Sie die Schultern bewusst nach hinten, bevor die Arme folgen. Nur so kräftigen Sie die Muskeln, die für eine aufrechte Haltung verantwortlich sind, anstatt nur den Bizeps zu trainieren.
Dehnen oder Kräftigen: Was hilft nachhaltiger gegen Verspannungen?
Im Kampf gegen den Rundrücken und die damit verbundenen Nackenschmerzen stellt sich oft die Frage: Soll ich meine verspannte Brust- und Nackenmuskulatur lieber dehnen oder die schwache Rückenmuskulatur kräftigen? Die Antwort lautet: beides, aber mit dem richtigen Verständnis für ihre jeweilige Rolle. Dehnen verschafft oft eine sofortige, wohltuende Linderung, da es die Spannung im überlasteten Gewebe kurzfristig reduziert. Kräftigen hingegen ist der Schlüssel zur nachhaltigen Haltungsverbesserung, da es die Ursache – die muskuläre Schwäche – bekämpft.
Mit Dehnübungen kannst du dir ein kurzzeitiges, angenehmes Gefühl verschaffen. Doch der Muskel braucht eine progressive Belastung, um Kraft aufzubauen und zu einer aufrechten Haltung beizutragen!
– Eisenhauer Training, Ratgeber Rundrücken wegtrainieren
Experten wie Liebscher & Bracht betonen zudem, dass es entscheidend ist, die faszialen Spannungen im Bereich der Brustmuskulatur zu lockern. Wenn die vordere Kette weniger „zieht“, müssen die Rückenmuskeln weniger Gegenkraft aufbringen. Die folgende Tabelle verdeutlicht die unterschiedlichen Wirkungsweisen und zeigt, warum eine Kombination ideal ist.
| Methode | Soforteffekt | Langzeiteffekt | Empfohlene Anwendung |
|---|---|---|---|
| Dehnen | Schnelle Entspannung | Begrenzt ohne Kräftigung | 2-3 Min. täglich |
| Kräftigung | Langsamer Aufbau | Nachhaltige Haltungsverbesserung | 2-3x wöchentlich |
| PNF-Methode | Kombination beider Effekte | Optimale Ergebnisse | Mit Physiotherapeut |
Ein effektiver Ansatz ist es, das Dehnen als Vorbereitung oder als tägliche Routine zur Linderung von Akutbeschwerden zu nutzen. Ein kurzes Dehnen der Brustmuskulatur (z. B. im Türrahmen) oder des Nackens kann Wunder wirken. Das Krafttraining der Rückenmuskulatur, wie in der vorherigen Sektion beschrieben, sollte jedoch 2-3 Mal pro Woche fest im Plan verankert sein. Nur so geben Sie Ihrem Körper die Kraft, der Schwerkraft und den Belastungen des Alltags dauerhaft standzuhalten und sich selbst in einer aufrechten Position zu stabilisieren.
Der Fehler, beim Training die gleiche Haltung einzunehmen wie am Schreibtisch
Einer der größten und ironischsten Fehler, den viele Büroarbeiter machen, ist, ihre schlechte Schreibtischhaltung direkt mit ins Fitnessstudio zu nehmen. Sie führen zwar die „richtigen“ Übungen wie Rudern oder Kniebeugen aus, aber tun dies mit nach vorne gerollten Schultern, einem gerundeten Rücken und einem nach vorne geschobenen Kopf. Damit wird das Training nicht nur ineffektiv, sondern potenziell sogar schädlich. Anstatt die Fehlhaltung zu korrigieren, zementiert man das falsche Bewegungsmuster unter Last und erhöht das Verletzungsrisiko.
Das Gehirn lernt durch Wiederholung. Wenn Sie stundenlang am Schreibtisch in einer bestimmten Position verharren, wird diese zur „Standardeinstellung“ Ihres Körpers. Ohne einen bewussten Reset vor dem Training wird Ihr Körper automatisch in dieses bekannte Muster zurückfallen, sobald er unter Anstrengung gerät. Deshalb ist es unerlässlich, vor jeder Trainingseinheit und sogar vor jedem Satz ein kurzes „posturales Reset“ durchzuführen. Es geht darum, den Körper bewusst in eine neutrale, aufrechte Haltung zu bringen, bevor die eigentliche Belastung beginnt.
Die Schultern müssen aktiv nach hinten und unten gezogen, der Rumpf angespannt (Bauchnabel zur Wirbelsäule ziehen) und der Kopf in Verlängerung der Wirbelsäule gehalten werden. Nur aus dieser stabilen Position heraus kann eine Übung ihre volle positive Wirkung entfalten und die richtigen Muskeln ansteuern. Ohne diesen bewussten Check trainieren Sie lediglich, besser in Ihrer schlechten Haltung zu werden.
Ihr Plan für den Haltungs-Reset im Training
- Vor jeder Übung: Stellen Sie sich aufrecht hin, ziehen Sie den Bauchnabel nach innen und stützen Sie beide Hände in den unteren Rücken. Lehnen Sie sich langsam nach hinten, um die Wirbelsäule zu mobilisieren.
- Während der Übung: Ziehen Sie Ihre Schultern bewusst und aktiv nach hinten und unten. Halten Sie diese Position während der gesamten Bewegung.
- Geistige Kontrolle: Konzentrieren Sie sich auf die aufrechte Haltung. Fragen Sie sich: „Wo sind meine Schultern? Wo ist mein Kopf?“. Korrigieren Sie sich aktiv.
- Dehnung als Abschluss: Halten Sie nach Übungen, die die Hüfte belasten, eine Position zur Dehnung des Hüftbeugers für 20-30 Sekunden.
- Regelmäßigkeit im Alltag: Setzen Sie sich alle zwei Stunden einen Timer als Erinnerung für einen kurzen Haltungs-Check, auch außerhalb des Trainings. Dies schult die Wahrnehmung.
Wie integrieren Sie Haltungs-Checks in Ihren Arbeitstag?
Das beste Training nützt wenig, wenn Sie die restlichen zehn Stunden des Tages wieder in eine schädliche Haltung zurückfallen. Die nachhaltige Korrektur eines Rundrückens findet nicht nur im Fitnessstudio, sondern vor allem im Alltag statt. Der Schlüssel liegt darin, eine konstante Haltungswahrnehmung zu entwickeln. Dies gelingt durch die Integration von regelmäßigen, kurzen Haltungs-Checks direkt an Ihrem Arbeitsplatz. Das Ziel ist es, den Autopiloten zu durchbrechen und die aufrechte Haltung zur neuen Gewohnheit zu machen.
Eine der effektivsten Methoden ist die Nutzung externer Trigger. Stellen Sie sich einen Timer oder eine App auf Ihrem Smartphone so ein, dass sie alle 30 bis 60 Minuten ein kurzes Signal gibt. Jedes Mal, wenn der Timer klingelt, nehmen Sie dies als Anlass, Ihre Haltung bewusst zu überprüfen: Sitze ich aufrecht? Sind meine Schultern entspannt und nach hinten unten gezogen? Ist mein Kopf in Verlängerung der Wirbelsäule? Auch visuelle Erinnerungen können helfen. Ein kleiner farbiger Aufkleber am Monitorrand oder eine Post-it-Notiz kann als subtiler Anker dienen.

Neben diesen passiven Erinnerungen können auch kleine, aktive Übungen integriert werden. Nutzen Sie jedes Telefonat, um aufzustehen und umherzugehen. Platzieren Sie den Drucker bewusst in einer anderen Ecke des Raumes, um sich zum Aufstehen zu zwingen. Es gibt auch Hilfsmittel wie Haltungstrainer (z.B. den Blackroll Posture), die sanft daran erinnern, die Schultern nicht nach vorne fallen zu lassen. Bei hartnäckigen Beschwerden ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. In Deutschland übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen oft die Kosten für Präventionskurse oder Physiotherapie, wenn eine ärztliche Verordnung vorliegt.
Warum löst Hüftmobilität Ihre Rückenschmerzen im Büro?
Viele Menschen mit Rückenschmerzen im Büro konzentrieren sich auf die Lendenwirbelsäule – dehnen, massieren und trainieren sie isoliert. Doch oft ist der schmerzende Bereich nur das Opfer, nicht der Täter. Die wahre Ursache für viele untere Rückenschmerzen liegt, wie beim Rundrücken, in einer unbeweglichen Hüfte. Das Konzept des „Joint-by-Joint Approach“, populär gemacht von Experten wie Gray Cook und Michael Boyle, bietet hier eine plausible Erklärung: Unser Körper ist eine Kette von Gelenken, die abwechselnd Stabilität und Mobilität benötigen.
Demnach benötigt die Lendenwirbelsäule primär Stabilität, während die Gelenke darüber (Brustwirbelsäule) und darunter (Hüfte) primär mobil sein sollten. Durch stundenlanges Sitzen wird die Hüfte jedoch steif und unbeweglich. Wenn Sie nun eine Bewegung ausführen, die eigentlich aus der Hüfte kommen sollte (z. B. sich bücken), die Hüfte aber „blockiert“ ist, muss ein anderes Gelenk die fehlende Beweglichkeit kompensieren. In den meisten Fällen ist dies die Lendenwirbelsäule. Sie wird gezwungen, eine mobile Rolle zu übernehmen, für die sie nicht ausgelegt ist. Diese ständige, unnatürliche Belastung führt zu Reizungen, Verspannungen und schließlich zu Schmerz.
Die Lösung ist also nicht, den unteren Rücken noch mehr zu bearbeiten, sondern der Hüfte ihre natürliche Beweglichkeit zurückzugeben. Indem Sie Ihre Hüfte regelmäßig mobilisieren, entlasten Sie die Lendenwirbelsäule und erlauben ihr, wieder ihre eigentliche Aufgabe zu erfüllen: den Rumpf zu stabilisieren. Schon wenige, diskrete Übungen am Schreibtisch können einen großen Unterschied machen. Hier sind einige Beispiele:
- Figure-Four-Stretch im Sitzen: Legen Sie einen Knöchel auf das gegenüberliegende Knie und beugen Sie den Oberkörper mit geradem Rücken leicht nach vorne.
- Beckenkippungen: Rücken Sie an die vordere Kante Ihres Stuhls. Kippen Sie Ihr Becken langsam vor und zurück, um die untere Wirbelsäule und das Kreuzbein zu mobilisieren.
- Sitzendes Wippen: Verlagern Sie Ihr Gewicht sanft von einer Gesäßhälfte auf die andere, um die Hüftgelenke zu lockern.
- Aufrechte Haltung einnehmen: Setzen Sie sich bewusst aufrecht hin. Falls möglich, stehen Sie kurz auf und strecken Sie sich.
Warum fühlen Sie sich im Anzug kompetenter, auch wenn Sie im Home-Office sitzen?
Auf den ersten Blick mag dieses Thema wie ein Fremdkörper in einem Artikel über Rückentraining wirken. Doch die Verbindung ist tiefer, als man denkt, und sie liegt im psychologischen Aspekt der Haltung. Unsere Kleidung beeinflusst nicht nur, wie andere uns wahrnehmen, sondern auch, wie wir uns selbst fühlen und verhalten. Dieses Phänomen ist wissenschaftlich als „Enclothed Cognition“ bekannt.
Die Kleidung beeinflusst unsere kognitiven Prozesse und unser Selbstbild – ein Phänomen, das als ‚Enclothed Cognition‘ bekannt ist.
– Prof. Dr. Adam Galinsky, Northwestern University Studie zur Kleidungspsychologie
Ein Anzug oder ein formelles Outfit wird gesellschaftlich mit Kompetenz, Professionalität und Autorität assoziiert. Wenn wir solche Kleidung tragen, übernehmen wir unbewusst diese Eigenschaften in unser Selbstbild. Wir fühlen uns nicht nur kompetenter, wir handeln auch so. Dies manifestiert sich oft in einer veränderten Körpersprache: Wir sitzen gerader, nehmen eine selbstbewusstere, „aufrechte“ Haltung ein und gestikulieren bestimmter. Selbst im Home-Office, wo uns niemand sieht, sendet die Kleidung ein Signal an unser eigenes Gehirn und beeinflusst unseren mentalen Zustand und unsere physische Präsenz.
Die Brücke zur Haltungskorrektur ist die Geisteshaltung. Die Entscheidung, sich aktiv um eine bessere Haltung zu bemühen, erfordert Disziplin und ein positives Selbstbild – das Gefühl, die Kontrolle zu haben. Das Tragen von Kleidung, in der Sie sich stark und kompetent fühlen, kann diesen mentalen Zustand fördern. Es kann der erste Schritt sein, aus der passiven, eingesunkenen Haltung auszubrechen und eine aktive, selbstbestimmte Position einzunehmen. Dies korreliert auch mit Studien, die zeigen, dass 59% der Befragten einen positiven Wohlfühlwert erreichen, wobei dieses Wohlbefinden eng mit regelmäßiger körperlicher Aktivität verknüpft ist. Eine aufrechte Haltung ist sowohl Ursache als auch Wirkung eines positiven Körper- und Selbstgefühls.
Das Wichtigste in Kürze
- Ihr Rundrücken beginnt oft mit verkürzten Hüftbeugern und einem schwachen Gesäß durch langes Sitzen.
- Nachhaltige Korrektur erfordert eine Kombination aus Kräftigung der Rückenmuskulatur und gezielter Dehnung der Brustmuskulatur.
- Integrieren Sie regelmäßige Haltungs-Checks und Mobilitätsübungen direkt in Ihren Arbeitsalltag, um der „Sitzfalle“ zu entkommen.
Warum ist Beweglichkeitstraining ab 40 wichtiger als das Bankdrücken?
Während in jungen Jahren oft reine Kraftwerte wie das maximale Gewicht beim Bankdrücken im Vordergrund stehen, verschieben sich die Prioritäten mit zunehmendem Alter. Ab 40 wird die funktionale Langlebigkeit zur wichtigsten Währung im Training. Es geht weniger darum, wie viel Gewicht man heben kann, sondern darum, wie gut man sich schmerzfrei im Alltag bewegen kann – heute und in 30 Jahren. Hier spielt Beweglichkeitstraining (Mobility) eine überragende Rolle, oft sogar eine wichtigere als reines Krafttraining.
Mit dem Alter nehmen die Elastizität des Bindegewebes und die Gelenkflüssigkeit ab, was zu Steifheit und einem erhöhten Risiko für Gelenkverschleiß führt. Daten des Robert Koch-Instituts zeigen, dass in Deutschland 17,9% der Erwachsenen über eine diagnostizierte Arthrose berichten, eine Zahl, die mit dem Alter stark ansteigt. Regelmäßiges Beweglichkeitstraining wirkt dem entgegen, indem es die Gelenke „schmiert“, Faszien geschmeidig hält und den vollen Bewegungsumfang (Range of Motion) erhält. Ein Körper, der seinen vollen Bewegungsumfang nutzen kann, verteilt Belastungen gleichmäßiger und beugt so Überlastungsschäden und chronischen Schmerzen vor.
Das bedeutet nicht, dass Krafttraining unwichtig wird – im Gegenteil. Ab dem 30. Lebensjahr beginnt der Körper, ohne Training stetig an Muskelmasse zu verlieren (Sarkopenie). Krafttraining ist der wirksamste Schutzfaktor gegen diesen Abbau und damit essenziell für die Selbstständigkeit im Alter. Der entscheidende Punkt ist jedoch die Balance: Kraft ohne Beweglichkeit führt zu einem starken, aber steifen und verletzungsanfälligen Körper. Ein gezieltes Beweglichkeitsprogramm sollte daher die Basis jedes Trainingsplans ab 40 sein. Es ist die Investition in eine schmerzfreie Zukunft.
- Rückbeuge in der Brustwirbelsäule: Macht die Faszien auf der Körpervorderseite geschmeidig und bekämpft einen Rundrücken.
- Rückbeuge in der gesamten Wirbelsäule: Dehnt den Hüftbeuger, der für viele Rückenbeschwerden verantwortlich ist.
- Seitbeuge: Löst Verklebungen und Steifigkeit an den Körperseiten und in der Taille.
- Tägliche Routine: Mindestens 15 Minuten dieser Übungen helfen, die Beweglichkeit zu erhalten und zu verbessern.
Ihre Haltung ist kein Schicksal, sondern das Ergebnis Ihrer täglichen Gewohnheiten. Beginnen Sie noch heute damit, diese Prinzipien anzuwenden, um die Kontrolle über Ihren Körper zurückzugewinnen und dem Büro-Rücken ein für alle Mal ein Ende zu setzen. Nehmen Sie Ihre Gesundheit aktiv in die Hand.
Häufige Fragen zum Thema Rundrücken und Haltungskorrektur
Wie oft sollte ich meine Haltung während der Arbeit kontrollieren?
Idealerweise sollten Sie alle 30 bis 60 Minuten eine kurze Pause für einen Haltungs-Check einlegen. Nutzen Sie am besten eine Timer-App auf Ihrem Handy oder einen visuellen Hinweis an Ihrem Monitor, der Sie daran erinnert. Bei jedem Signal setzen Sie sich bewusst gerade hin, ziehen die Schultern nach hinten und unten und bringen den Kopf in eine neutrale Position.
Welche Hilfsmittel können die Haltungskorrektur am Arbeitsplatz unterstützen?
Es gibt verschiedene Hilfsmittel, die Sie unterstützen können. Ergonomische Bürostühle und höhenverstellbare Schreibtische sind eine gute Grundlage. Zusätzlich können Haltungstrainer, wie der Blackroll Posture, eine sanfte physische Erinnerung geben, um ein Zusammensacken der Schultern zu verhindern. Auch Apps, die Sie regelmäßig an Haltungswechsel oder kleine Übungen erinnern, sind sehr effektiv.
Ich habe trotz Übungen und Haltungs-Checks weiterhin starke Verspannungen. Was kann ich tun?
Wenn Beschwerden anhalten oder sehr stark sind, ist es wichtig, professionelle Hilfe zu suchen. Ein Arzt oder eine Ärztin kann die genaue Ursache abklären und gegebenenfalls Physiotherapie verschreiben. In Deutschland übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen bei ärztlicher Verordnung oft einen Großteil der Kosten für solche Behandlungen oder bezuschussen zertifizierte Präventionskurse zur Rückengesundheit.